Interview mit Erik Porthun aus Stuttgart
Frage:
Krieg, Pandemie, Inflation, Zinswende, Klimakrise – die Welt spielt verrückt. Wenn es globale ökonomische Veränderungen gibt, wenn sich der Markt bewegt, bleibt der Immobilienmarkt nicht unverändert. Was bedeutet das für uns hier vor Ort? Muss sich ein Immobilieneigentümer in Stuttgart, Baden-Württemberg Sorgen machen?
Erik Porthun:
Sorgen muss man sich nicht machen, aber Gedanken. Es ist schon sehr lange her, dass es zum letzten Mal so turbulente Zeiten gegeben hat. Am Markt herrscht extreme Unsicherheit, weil keiner weiß, wohin die ganze Reise gehen wird.
“In dieser Dynamik werden die Preise nicht weiter steigen.”
Als Immobilieneigentümer wurde man in den letzten Jahren extrem verwöhnt. Es gab ja nur eine Richtung – steil nach oben. Die Preise sind immer weiter durch die Decke gegangen. Jetzt glaube ich, dass wir an einem Plateau angekommen sind. In dieser Dynamik werden die Preise nicht weiter steigen.
Frage:
Warum ist das so?
Erik Porthun:
Ganz einfach gesagt. Es können heute weniger Leute eine Immobilie finanzieren, weil die Kosten für die Finanzierung deutlich angestiegen sind.
Aufgrund der steigenden Inflation müssen die Zinsen angehoben werden. Die Banken werden zum einen die Kreditvergabe restriktiver handhaben, zum anderen wird man nur noch zu deutlich höheren Zinssätzen finanzieren können. Ich mache ein Beispiel: In Deutschland konnten Sie bis vor einigen Monaten eine Immobilie noch für 1-1,5 Prozent finanzieren. Jetzt sind Sie bereits bei 2,5 bis 3 Prozent. Allein ein solcher Sprung innerhalb von nur wenigen Monaten verändert die Tragbarkeit für viele Menschen bereits deutlich.
Frage:
Es wird also teurer, eine Immobilie zu finanzieren – und das führt zu geringerer Nachfrage?
Erik Porthun:
Genau. Verschärfen kann sich dieser Trend noch durch eine intensivere und besonders kritische Prüfung bei den Banken. Aktuell dauert es bereits deutlich länger, bis die Bank sich entschieden hat.
Frage:
War es denn vorher Ihrer Meinung nach zu einfach zu finanzieren? Und wurde infolgedessen zu große Risiken eingegangen?
Erik Porthun:
Auf den ersten Blick nein. Denn die Zahl der Zwangsversteigerungen hat sich zum Beispiel nicht bewegt. Aber der Markt hat alle Anzeichen einer Überhitzung gezeigt. Nehmen wir Stuttgart als Beispiel: hier haben die Gutachter teilweise mit einer monatlichen (!) Wertentwicklung von 1,5 Prozent gerechnet. Da kommen wir ja irgendwo in Sphären, welche kombiniert mit extrem billigem Geld nicht mehr gesund waren. Für viele Investoren hat der Preis überhaupt keine Rolle mehr gespielt, weil Wertzuwachs plus Mieteinnahmen immer noch besser waren als jegliche Renditen in anderen Anlageklassen.
“Der Markt hat alle Anzeichen einer Überhitzung gezeigt.”
Frage:
Wird der Zuwachs, der mir als Immobilienbesitzer in den letzten Jahren zuteil geworden ist, jetzt wieder schrumpfen? Oder gehen Sie nicht davon aus, dass die Preise deutlich nach unten gehen?
Erik Porthun:
Grundsätzlich glaube ich nicht, dass wir einen sehr starken Preisnachlass am Markt sehen werden. Die Knappheit von Rohstoffen und Baumaterial führt aktuell zu einem Rückgang beim Neubau, weil die Bauträger nicht mehr langfristig kalkulieren können. In Kombination wird das Ganze zu einer Stagnation der Immobilienpreise auf hohem Niveau führen.
“Wir rechnen mit einer Stagnation der Immobilienpreise auf hohem Niveau.”
Frage:
Sie haben vorhin die Gruppe der Investoren angesprochen, die in den letzten Jahren recht leichtes Spiel hatten: Man kauft eine Immobilie zu sehr günstigen Finanzierungskonditionen und vermietet diese. Mieteinnahmen plus Wertzuwachs übersteigen die Zinsen bei Weitem. Wird es so etwas in Zukunft noch geben oder werden einige dieser Investoren sogar ins Straucheln geraten?
Erik Porthun:
Ich könnte mir vorstellen, dass wir bei weiter steigenden Zinsen dieses Szenario sehen könnten. Viele Finanzierungen wurden zum variablen Zins abgeschlossen. Wenn sich die Zinsen jetzt aber weiter so dramatisch erhöhen, dann geht die ursprüngliche Rechnung nicht mehr auf. Und da kann ich mir schon vorstellen, dass wir hier und da Probleme und vielleicht sogar Notverkäufe sehen werden.
Frage:
Jetzt leben wir ja hier in einem Teil von Deutschland, der sehr nachgefragt ist und an manchen Stellen auch sehr hohe Wertzuwächse verzeichnen konnte. Wird es schwieriger, auch für Immobilien mit dieser tollen Lage?
Erik Porthun:
Lage, Lage, Lage – man kann nicht genug betonen, wie wichtig die Lage für den Wert einer Immobilie ist. Das wird immer gelten. Ich bin überzeugt, dass die guten Lagen auch weiter an Wert gewinnen werden. Bei schwierigen Lagen sehe ich Nachlässe. Ein weiteres Kriterium ist aber auch der Instandhaltungsrückstau durch gestiegene Bau- und Materialkosten.
“Gute Lagen werden auch weiterhin an Wert gewinnen.”
Frage:
Jetzt mal ganz konkret: Ich habe mit meiner Familie eine Immobilie vor drei Jahren finanziert, ganz klassisch – ein Teil der Hypothek mit längerer Laufzeit und einem etwas höheren Zinssatz, ein anderer Teil kurzfristig zu einem sehr niedrigen Zinssatz. Was kommt jetzt auf mich zu?
Erik Porthun:
Der langfristig finanzierte Teil wird keine Sorgen bereiten – darum hat man ja eine solche lange Laufzeit gewählt. Und auch der variable Zinssatz wird sich ja jetzt nicht von heute auf morgen exponentiell erhöhen, sondern steigt eben adäquat zur Leitzinserhöhung der EZB. Die hatte zunächst ein Viertel Prozent erhöht, dann aber knallhart 1,25 Prozent draufgelegt.
Kurzfristig wird es dank der langen Zinsfestschreibung keine Probleme geben. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass wenn ich Eigentum verkaufen möchte, ist jetzt ein sehr guter Zeitpunkt. Auch wenn es keine dramatischen Preisverfälle geben wird: Die Zeit der ständig steigenden Preise liegt hinter uns.
Frage:
Ihr Rat also ganz konkret: Wenn man sich unsicher über die eigene wirtschaftliche Situation in den nächsten Jahren ist, dann sollte ich was tun?
Erik Porthun:
Besser innerhalb der nächsten 12 bis 24 Monate verkaufen, weil die Preise immer noch auf einem sehr hohen Niveau sind. Wenn man sich aber sicher ist, die Finanzierung auch mit einem höheren Prozentsatz unproblematisch durchzustehen, dann eher halten.
Es herrscht extrem viel Unsicherheit am Markt. Krieg, Rezession, Inflation, steigende Zinsen – und Corona ist nach wie vor nicht ausgestanden. Die Mischung ist mittelfristig nicht gut für die Wirtschaft und den Immobilienmarkt.
Grundsätzlich würde ich Eigentümern, die schon länger mit dem Gedanken spielen zu verkaufen, raten, jetzt zu verkaufen.